Um 1980 in Rom produzierte eine kleine Kooperative um die Filmkritiker Michele Mancini und Giuseppe Perrella ein mysteriöses, gleichermassen elaboriert wie mühelos erscheinendes 600-seitiges Schwarz-Weiss- Bilderbuch mit dem Titel Pier Paolo Pasolini: Corpi e Luoghi. Einigen damaligen Rezensionen zufolge handelt es sich bei der Publikation um das «bisher pasolinischste Buch» (Alberto Farrasino), ein für die «künftige Pasolini-Forschung unverzichtbares Mittel» (Tullio Kezich), um ein «ein einzigartiges kritisches Modell.» (Adriano Aprà).
Wo auch immer das Buch aufgeschlagen wird, mit ihrer ebenso sturen wie verspielten Klassifikation von knapp 2000 Filmstills nach «Körpern» und «Orten» eröffnen Mancini und Perrella einen sich stets aufs Neue zusammensetzenden Raum. Mit einer versteckten Referenz auf Walter Benjamin und eine entsprechend revolutionäre Haltung ist das Zitieren hier als «Aneignung» zu verstehen, als praktische Anwendung eines Archivs.
Analog zum obersten Gebot des grossen Regisseurs ist Pier Paolo Pasolini: Corpi e Luoghi offenbar der kolossale Versuch, dieses Material in Form eines Buches dorthin zu bringen, wohin es drängt. In der Einleitung beschreiben Mancini und Perrella ihren Ansatz als jenes “analytische Feld” als das sie auch das Film-set begreifen: «Durch Film schafft es Pasolini, jenen gewissermassen unbewussten und unausgesprochenen code zum Ausdruck zu bringen durch den wir alltäglich handeln und uns zur Welt verhalten. Er macht eine sonst nur unsichtbare und sprachlose Praxis sichtbar, einen ‹primitiven›, unserer ‹aufgeklärten› Gesellschaft üblicherweise verborgenen Bereich.»
Die von Ann Goldstein und Jobst Grapow übersetzte quasi-faksimilierte englische Neuauflage mit dem Titel Pasolini’s Bodies and Places versteht sich als erster Schritt zur Erschliessung dieses Werks. Mancini und Perrella eröffnen ihr Konvolut von Bildzitaten mit einer Sammlung kürzerer, damals unveröffentlichter Texte von Pasolini, in denen er seine eigene Recherche nach den Körpern und Orten für die Filme beschreibt. Übersetzt von Stephen Sartarelli, werden diese hier Teils zum ersten Mal auf Englisch publiziert. (Benedikt Reichenbach, 2017)
Das Buch enthält auch den italienischen Originaltext.