In Philipp Tinglers literarischem Tagebuch Ich bin ein Profi begleiten die Leser:innen den Ich-Erzähler auf ein Hochbegabtentreffen nach Berlin und zum Ingeborg-Bachmann-Preis nach Klagenfurt. Auch der von Einkaufstouren, Partybesuchen und Schriftstellerarbeit gekennzeichnete Alltag des Helden in der Stadt Zürich wird geschildert. Die Leser:innen sehen Charaktere und Orte wieder, die ihnen aus Philipp Tinglers Debütroman Hübsche Versuche bekannt sind, dem grössten Erstlingserfolg des Sommers 2000 im Schweizer Literaturbetrieb. Die Leser:innen ist dabei, wenn der Tagebuchschreiber in Zürich gegen Politessen, Parkplatzsorgen und andere Existenzbedrohungen kämpft. Die Leser:innen sind dabei, wenn der Erzähler in seiner Heimatstadt Berlin Ausflüge ins Nachtleben und in die Vergangenheit unternimmt. Und die Leser:innen sind dabei, wenn sich der Held dieses Tagebuches als Teilnehmer am Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt mit der Maskenhaftigkeit eines Literaturbetriebs auseinandersetzt, «für den Schönheit ein Charakterfehler ist und der Ironie nicht mal dann erkennt, wenn man ihm damit auf den Kopf haut».
Mit sezierender Schärfe beobachtet der Erzähler seine Mitmenschen. Der ironisch distanzierte Blick des Autors zielt auf die Gesellschaft und ihre Typen in den verschiedensten Sphären – vom Personal des Auswärtigen Amtes über die Repräsentanten des Literaturgeschäfts bis hin zum Publikum in den «Tingel-Tangel-Lokalen fünfter Ordnung». Ausserdem zielt der Autor auf sich selbst gespannt und gespalten zwischen Müßiggang und schlechtem bürgerlichen Gewissen, zwischen Luxusbedürfnissen und der Sorge um seinen Lebensstandard, zwischen dem Aufblick zur Grösse und der Geringschätzung für Mittelmässigkeit und Modekunst. Dieser Held ist von der «Generation X» ebenso meilenweit entfernt wie von der «Generation Golf». Aber über jede Lebenswidrigkeit triumphieren die Vergnügungen des Ausdrucks. Die Erzählweise ist geprägt von Distanzierung und Montage, von Geist, Witz und Ironie, wie man sie zum Überleben braucht als Sprössling einer grossbürgerlichen Zehlendorfer Familie, die ein wenig überspannt ist.
Das Schema des Tagebuchs wird immer wieder durchbrochen und persifliert durch Einschübe in dramatischer Form oder kurze Geschichten, Erinnerungen und Reflexionen. In virtuoser Sprachbeherrschung springt der Autor von klassischen Höhen zu pointierter Situationskomik und zügigen Dialogen, wechselt rasant zwischen Melancholie und Sarkasmus, Kritik und Fantastik. Verbunden mit dem Tagebuch und doch eigenständig erscheint die Illustration durch Schwarz-Weiss-Fotografien, Schnappschüsse aus dem Leben des Autors, die mit Bildunterschriften versehen sind.