So verschieden die Leben, so verschieden die Biografien. Und doch ist Magnificent Obsessions Saved My Life eine (Auto-)Biografie der besonderen Art: Nicht nur fokussiert das Buch fast schlaglichtartig Schlüsselszenen im Leben eines Menschen der Nachkriegsgeneration, aufgewachsen, wie so viele, in einer dysfunktionalen Familie, vor dem Hintergrund geteilter Erfahrungen der 68er-Generation mit ihrer sexuellen Befreiung sowie zwei hautnah erlebter Pandemien – Aids und Corona. Im Dialog auch mit Werken des grossen Hollywood-Kinos, der Film-Avantgarde und zeitgenössischer Kunst bringen sie sich gegenseitig erst zum Sprechen. Denn ein Film, ein Kunstwerk ist nichts, wenn es einem nichts über das eigene Leben sagt. Kino und Kunst – und eben dieses Buch: Stets erzählt es über das, was war und was möglich gewesen wäre. Magnificent Obsessions tut dies in Text und Bild, angereichert mit Filmstills aus Brunners eindrücklicher Sammlung sowie Reproduktionen geliebter Kunstwerke. Aber wie im Film stehen die Menschen im Zentrum, Protagonist:innen, über die Brunner mal beissend direkt, aber auch zugewandt und bisweilen fast zärtlich schreibt. Es gibt immer zwei Bewegungen in diesem Leben: eine Flucht in die Künste wie auch den Willen und die Grosszügigkeit, diese Obsessionen zu teilen, sie unermüdlich zu vermitteln. Der Filmkurator Brunner brachte schon früh – an der Zensur vorbei – Filme von John Waters oder Andy Warhol, mit denen er auch freundschaftlich verbunden war, in die Schweiz. Vor der Verbreitung des Internet hätte man diese sonst nicht oder erst viel später zu sehen bekommen. Brunner weiss um Licht- und Schattenseiten der Traumfabrik, lässt sich aber immer wieder gerne verführen: Imitation of Life, so der Titel eines des grossen Melodramen des Regisseurs Douglas Sirk, den Brunner verehrt und dessen Nachlass er heute betreut.
Mit einem Vorwort von Stefan Zweifel und einem Nachwort von John Waters.