Der Maler Luciano Castelli begann in den frühen 1970er-Jahren, sich selbst vor und für die Fotokamera zu inszenieren. Er schlüpfte in eine Vielzahl von Rollen, spielte die unterschiedlichsten Facetten seiner Selbst durch, durchbrach die Grenzen des Geschlechts, wurde zum androgynen Fabelwesen und zur Glamrock-Diva.
Castellis virtuose surreale Selbstinszenierungen, die bisher nur in wenigen Teilen publiziert wurden, wirken in ihrer spielerischen Erotik und ihren abgründigen Narrativen unvermindert frisch und eröffnen einen Aspekt von Castellis Œuvre, der bislang zu wenig Beachtung fand und aus heutiger Sicht ganz neu gelesen werden könnte.
Ganz im Sinne des französischen Kunstkritikers und Psychoanalytiker Jean-Michel Ribettes, der bereits 2001 Castellis expressive Theatralität als zeitloses Phänomen und Kritik an einer puritanischen Gesellschaft interpretierte: «Castelli streut Konfusion in unser prüdes, niederträchtiges und merkantiles Herdendasein.»