«Es gibt viele Gründe, nicht zu fliegen. Langweilig, Klimaanlagen, die krank machen, Thrombosegefahr. Es ist eng, man darf nicht rauchen, und unter den Füssen sind zehn Kilometer Luft. Ich hab nicht gern nichts unter mir. Es gibt Leute, die hören auf zu rauchen. Ich hab aufgehört zu fliegen. Es war die richtige Entscheidung. Allerdings gehört man damit in einer Epoche grenzenloser Mobilität plötzlich einer Minderheit an. Einer ziemlich kleinen wahrscheinlich, ich kenne auf jeden Fall niemanden persönlich, der nicht fliegt. Deshalb habe ich beschlossen, ganz allein einen Trend zu lancieren. Slow Travelling. Ich reise langsam. Reisen statt fliegen. Eine Reise ist ziemlich genau das, was zwischen zwei Flughäfen liegt, das, was man da, in zehn Kilometern Luftlinie, weit unten sieht. Das Meer, all die Länder, die man von weit oben betrachtet. Eine Reise ist das, was man verpasst, während man fliegt.» (Auszug aus Auf dem Weg nach Damaskus)
Auf dem Weg nach Damaskus, das sind acht grosse Reiseerzählungen von Rudolph Jula. Sie führen, immer zu Land oder zu Wasser, in die Zentren der sogenannten « islamischen Welt », nach Damaskus, nach Teheran, in den Libanon, über Jordanien bis Kairo und von dort wieder zurück in die globalisierte Türkei. Die Titelgeschichte führt den Erzähler über Ancona, die Küste Anatoliens und Aleppo in die syrische Hauptstadt. Dort entdeckt der Erzähler die « Gerade Strasse », wo die Bekehrung des Paulus geschah, Ausgangspunkt der christlichen Universalreligion und die Geburt der Idee der Gleichheit. Diese Strasse gibt es wirklich, seit 2000 Jahren führt sie durch die Altstadt von Damaskus, ein bedeutsamer christlicher Ort, mitten in der Hauptstadt eines islamischen « Schurkenstaates ». Das Thema der Suche nach dem Eigenen im Fremden, nach den Motiven der eigenen Identität im Feindbild, nach der Geschichte der Gleichheitsidee wird nicht theoretisch, sondern in Begegnungen, Situationen und Gesprächen vermittelt, die ebenso auf Wirklichkeit wie auf Imagination beruhen. Die Erzählungen folgen dem Prinzip eines Dokumentarfilms, der Authentizität erreicht, indem er inszeniert.
Aus dieser Perspektive sind auch Julas « Reisefotos » entstanden, keine Illustrationen des Geschriebenen, sondern subjektive Blicke eines Erzählers, der den Blick aufs Nebensächliche richtet und dabei wie zufällig auf das Bedeutsame stösst.