1977 porträtierte der junge Fotograf Pietro Mattioli die Exponenten der Züricher Punk-, New-Wave- und Kunstszene mit einfachsten Mitteln: frontal geblitzt, vor einer weissen Wand. Die damals schlicht notwendige Reduktion der Mittel erweist sich nach über 30 Jahren als äusserst fruchtbar. Mattiolis Porträts wirken so frisch und zeitgeistig, als seien sie letzte Nacht entstanden. Pietro Mattioli war damals zwanzig, im Begriff, eine Fotografenausbildung abzuschliessen, und schickte sich an, freier Künstler zu werden. Er war auch der Hausfotograf des ersten Zürcher Punk-Fanzines No Fun. In diesem Umfeld entstanden die namenlosen Abende im Club Hey, einer 1976 eröffneten Schwulenbar, die immer beliebter wurden. Und bald gab es die ersten Zürcher Punkbands, die regelmässig im Hey auftraten: Mother’s Ruin, Sperma, Kleenex, Dogbodys oder die Nasal Boys. Wohl einer Mischung aus teilnehmender Beobachtungslust und Ahnung von Bedeutsamkeit folgend, entschied sich Mattioli, die Besucher:innen des Clubs festzuhalten. Einer einfachen Formel folgend, fotografierte Mattioli vor einem neutralen Hintergrund, unmittelbar, schnell, reisserisch schrill und narzisstisch kühl.
Das Buch 1977 versammelt Porträts von Protagonist:innen der verschiedensten Szenen: Punks und Teds, Schwule, Bohème und Aussenseiter, Glam-Fans, die junge Kunstszene (Peter Fischli, David Weiss, Walter Pfeiffer), die ersten Teenagepunks und die beginnende alternative Musikszene. Die Bilder in 1977 sind Innenansichten aus dem Inkubator dessen, was später als «Postmoderne» begrüsst werden würde. Sie sind Teil der unmittelbaren Vorgeschichte jenes Momentes, der sich lautstark jubelnd mit diesem einst inflationären Begriff schmückte, der in der Zwischenzeit wundersam unauffällig und klanglos wieder verschwunden ist.