So viel und gleichzeitig so wenig kann man über die 33-jährige Künstlerin Francisca Silva sagen. So viel, weil ihr Werk ein schrill-buntes, betörendes Konglomerat aus Poesie, Skulptur, Malerei, Zeichnung, Textilien und Tätowierungen ist. So wenig, weil sie ungern über sich und ihre Arbeit spricht. Sie sagt: «Ich könnte sentimentalen Blödsinn erzählen, aber ich möchte meine Kunst nicht mit Wörtern töten.»
Francisca Silva ist ein toughes Mädchen, ein Macho. Die Tochter politischer Flüchtlinge aus Chile kam 1984 im Tessin zur Welt, ging in Italien zur Schule, studierte in Zürich bildende Kunst, zog 2012 nach Berlin und kehrte 2015 in die Schweiz zurück. Heute lebt sie in Brooklyn. Sie ist klein und rund, ein wandelndes Kunstwerk: An Hals, Armen, Beinen, Bauch und Kopf trägt sie Schmuck – so nennt sie ihre Tattoos. Die meisten zeichnet und sticht sie selbst. Ein Meer aus Wolken, eine Axt, ein Delfin, eine nackte Puppe. In zittrigen Lettern die Frage: «Are you going to break my heart?» Silva tätowiert auch andere – an Performances und in Off-Spaces, in Studios befreundeter Tätowierer:innen, an Vernissagen und Lesungen von Lugano bis Seoul.
Mit Pistole und Tinte heisst sie Macho. Macho heisst auch ihr One-Woman-Verlag, und Macho ziert als Schriftzug Francisca Silvas linken Oberschenkel.
25 Memoranden ist Silvas erstes Künstlerbuch. Haptisch ein feines Heft, inhaltlich ein Liebeslied ohne Schnörkel. Oder in den Worten der Künstlerin, ganz einfach: «Poesie». Silva nennt ihre Kombination von Wörtern konsequent Poesie, nicht Gedichte, nicht Sprüche, nicht Slogans. «Poesie», als ob schon nur das Wort das Kostbarste der Welt wäre. Silvas Poesie ist todernst. Nicht aber humorlos. Sexy vielleicht. Neckisch, sehr wahrscheinlich. In 25 Memoranden schlängelt sich Silva subtil in Englisch, Deutsch und Spanisch durch ambivalentes Seelengewitter, das tobt, wenn gebuhlt, erobert und geliebt wird.