Seit über 15 Jahren porträtiert der Auftrags- und Pressefotograf Christian Lanz Persönlichkeiten aus Kultur, Kunst und Wirtschaft, sogenannte Prominenz. Vor etwa drei Jahren begann er die Porträtierten, fast nebenbei, nicht nur um die üblichen vorteilhaften Posen zu bitten, sondern noch um etwas ganz Besonderes: um eine Aufnahme mit geschlossenen Augen. Daraus entwickelte sich ein höchst ungewöhnliches Projekt, der Versuch, eine Spezies Menschen, die sich mehr oder weniger gewohnheitsmässig fotografieren lässt und der die Pose sozusagen schon zur zweiten Gesichtshaut geworden ist, doch noch einmal ganz anders zu sehen.
Hinter dem auf den ersten Blick simplen Trick, die Augen schliessen zu lassen, versteckt sich in Wirklichkeit die Magie der Verwandlung, subtil und wirkungsvoll. Es erscheint eine neue Persönlichkeit, scheinbar noch nie gesehen, zuweilen sogar fremd. Die Magie der nach innen gekehrten Pose. Verwandelt wird auch der Blick der Betrachter:innen, der ruhig und ungehindert über Gesichtslandschaften schweifen kann, befreit vom wirkungsästhetischen Hauptfaktor im Kalkül der professionellen Pose. Das plötzliche Erschrecken angesichts des überwältigend Intimen, das hier auf der Haut liegt und aus ihren Poren dringt. Die Offenbarung, die hinter geschlossenen Lidern lauert.
«Bis jetzt war ich der Überzeugung, dass die Augen der direkte Zugang zur Seele sind. Heute glaube ich zwar, dass das stimmt, aber wir Menschen unsere Augen ganz bewusst für unsere Ziele einsetzen, dass wir sie instrumentalisieren. Es ist äusserst spannend zu sehen, was noch da ist, wenn die Augen weg sind. Ich habe Fredi Murer gefragt, ob er an diesem Projekt mitmachen möchte. Er hat mir geantwortet: ,Lieber würde ich mich nackt mit offenen Augen als angezogen mit geschlossenen Augen fotografieren lassen!‘ Er hat es genau verstanden.» (Christian Lanz)