Giorgio Wolfensberger, 1945 in Zürich geboren, in Winterthur aufgewachsen und 2016 in seiner geografischen und politischen Wahlheimat Umbrien gestorben, war nicht nur Industriefotograf, Filmer, Spezialist für Diaschauen, Autor und Kenner der Schweizer Ausdruckstänzerin und Tanzlehrerin Suzanne Perrottet, aussergewöhnlicher Spürhund für Fotografie in Archiven, sondern insgesamt ein Sammler und Fotograf, der mit einem siebten Sinn für die Dinge in der Welt ausgestattet war. Er scheint die Besonderheiten im Alltäglichen, die Abweichungen von der Regel, das Spiel der Gegenstände, das Humorvolle und das Groteske im Lauf der Welt geradezu angezogen zu haben, als seien seine Augen, seine Nase, seine Finger Sonden, die mit der materiellen Wirklichkeit magnetisch verbunden waren. Im Auftrag für ein Ausstellungsprojekt oder ein Buch, beim freien Herumstreunen in der Stadt oder Herumfahren in der Landschaft: Immer entdeckte er das Besondere im Banalen, das Eigene im Allgemeinen, das Reiche im Armen, das Seltsame in der Regel. In diesem Buch versammeln sich zum ersten Mal seine freien, seine künstlerischen Fotografien zu einem Panoptikum, einem bunten Kabarett der Dinge. Beginnend mit den schwarzweissen Dokumentarfotografien in seinen ersten Italienjahren entfaltet sich schrittweise eine reichhaltige, humorvolle, farbige Foto-Povera, ein bezaubernder, nachdenklicher Tanz der "armen", einfachen Dinge.
– Urs Stahel