Circa viertausend Polaroids ersetzen Pierre Keller das Tagebuch von zehn oder fünfzehn Jahren seines Lebens. Sie entstanden im pulsierenden New York der Siebzigerjahre, wo er bis 1983 lebte und arbeitete, auf Reisen in Südamerika und im heimischen Lavaux. Kunstschaffende wie Nan Goldin, Keith Haring, Michel Basquiat und Robert Mapplethorpe waren seine Weggefährt:innen.
Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse, aber auch an die Tode der Menschen in seinen Bildern tauchen die Photographien von Pierre Keller in alle Farben des Regenbogens. Sie zeigen das ganze Spektrum des schwulen Lebens: Braune Haut, milchiges Fleisch, rote Schwänze, blanke Ärsche, weisse Dildos, freche Statements, die neongrüne Heimlichkeit der Bath Houses und Augenblicke nachdenklicher Poesie – zeitweise richtig blue.
Anders als Mapplethorpe arbeitete Pierre Keller nie mit professionellen Photomodellen. Er fotografierte die Männer dort, wohin er ihnen gefolgt war, wohin sie ihm gefolgt waren. Seine SX-70 in der alten US-Armeehose stets bei sich beschreibt Keller das Photographieren als sexuellen Akt. Manchmal ging beides auch Hand in Hand.
Selbstzensur kam nie in Frage, Genuss stand im Vordergrund: Schöne Männer, lukullische Freuden. Sein Blick ist durchaus auch ein kulinarischer. „Antiporno‘, wie Jean Tinguely meinte, den Pierre Keller noch heute bewundert: Bilder für das Kino im Kopf. Doch diese pralle Fülle fand damals keinen Anklang. Photographie war noch nicht Galerienkunst. In My Colorful Life kommen die Polaroids von Pierre Keller spät zu ihrem verdienten Ruhm.