Es ist immer das Gleiche: Sobald das Newsbild von Bundesrat Blocher gemacht ist, verschwinden die Fotografen wieder. Sobald Parteipräsident Maurer das letzte Wort gesprochen hat, klappen die Journalisten ihren Notizblock zu. Damit sind die Medien zwar ihrer Berichterstattungspflicht über die SVP-Veranstaltung nachgekommen. Doch die wirklich wichtigen Fragen bleiben unbeantwortet. Wer sind die Menschen hinter Blocher, Maurer und Mörgeli, die SVP wählen? Warum tun sie es? Und wie schaffte es die Partei, ein Drittel aller Schweizer für ihr Gedankengut zu begeistern?
Vier Jahre lang hat der Fotograf Fabian Biasio eine Antwort darauf gesucht und an Versammlungen, Feiern und Festen der SVP fotografiert, von der Albisgüetli-Tagung über den Buure-Zmorge bis zum Jasscup. Seine Bilder gewähren intime Einblicke in eine Welt, wo die Menschen jene Geborgenheit und Heimat finden, die Kirche, Firma und Familie nicht mehr bieten. Hier wird nicht nur ihre Sehnsucht nach Eindeutigkeit gestillt, sondern auch ihre emotionale Grundversorgung gesichert. Hier ist der Händedruck fest, die Musik laut und das Schnitzel gross. Und nichts stärkt ihren Zusammenhalt mehr als das trotzige Wissen: Sie verkörpern die einzig wahre Schweiz. Alle andern – und besonders die Medien – sind Verräter, die die Schweiz an den Meistbietenden verscherbeln.
Die Journalistin Margrit Sprecher hat mit ihren Reportagen und Porträts die Entdeckungsreise in die Mitte der SVP vervollständigt. Sie besuchte Bauern, Arbeiter, Lehrer, Schreiner, Chauffeure und Unternehmer und liess sie ihre Welt und ihr Leben schildern. Sie fand keineswegs nur Erfolglose, Aussenseiter, Einsame und Alte, die Angst vor jeder Veränderung haben. Vielmehr waren es Schweizer, quer durch alle Schichten, die aus dem Gefühl der eigenen Machtlosigkeit der SVP beitraten. Mal hatte ein als falsch empfundenes Gerichtsurteil oder das räuberische Steueramt den Ausschlag gegeben, mal waren sie Opfer von Ausländern oder enttäuscht von einer andern Partei. Tatsächlich verdankt die SVP einen Grossteil ihres Erfolgs den Defiziten von SP, CVP und FDP. Es sind Expeditionen in eine nie fotografierte und nie beschriebene fremde Schweiz, die in den Medien kaum präsent ist. Denn sie besitzt weder die Exotik der Armut noch die des Reichtums. Doch sie strotzt vor Selbstbewusstsein. Wohl zu Recht. Gut möglich nämlich, dass sie bei den Parlamentswahlen im Herbst 2007 den Gang der Dinge in der Schweiz bestimmt.
www.mitte-des-volkes.ch
Schönste Schweizer Bücher, 2007