Children versammelt Kinderporträts. Art und Stil der Fotografien lassen erkennen, dass sie aus verschiedenen Epochen stammen. Im Angesicht der Kinder, manchmal begleitet von Mutter, Vater, Geschwistern und Freund:innen, fragt man sich nach dem Grund für die Auswahl und Zusammenstellung. Dann entdeckt man beim Durchblättern, dass sich hinter den noch weichen Gesichtszügen zukünftige Schriftsteller:innen, mathematische Genies und andere spätere Berühmtheiten verbergen, Diktatoren mit inbegriffen. Ausgehend von ihren Physiognomien beginnt nun das Rätselraten: Wie kann dieser schläfrige Knirps nur Jimi Hendrix sein… oder werden? Jener schlecht gelaunte Junge in der Mitte seiner Klasse Arthur Rimbaud? Das kleine Mädchen Angela Merkel? Der dreckige Bengel Al Capone? Jener adrette Junge Papst Franziskus? Und das fröhliche Kind ist Osama Bin Laden? Grosse Überraschungen, grosses Staunen!
Ansätze eines Charles le Brun, der im 17. Jahrhundert glaubte, geistige Fähigkeiten und Charakter eines Menschen am Gesicht ablesen zu können, oder von belgischen Kolonialherren, die ihre ruandischen Untertan:innen mit Schädelvermessungen in Hutus und Tutsi einteilten, sind längst passé. Beim Betrachten von Children steht fest, dass es heute, in unserer Zurückweisung von rassischem Profiling, unmöglich ist, die Bestimmung eines Kindes oder Erwachsenen anhand seines Gesichts abzulesen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als einfach zu schauen, um bei den paar Dutzend Bildern, die uns Olivier Suter vorlegt, beim Weiterblättern mal in Entzückung zu geraten und mal in Nachdenklichkeit zu verfallen, darüber, was aus diesen Kindern, die so sehr allen andern Kindern dieser Welt zu gleichen schienen, geworden sein mag.
Schönste Schweizer Bücher, 2019